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Zum Gedenken an Hans-Gerd Brunnert

Zum Gedenken an Hans-Gerd Brunnert

– Auszüge aus einem Nachruf, der auf magazin.hiv veröffentlicht wurde –

Von Wolfgang Vorhagen

Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung bei der Vorbereitung des ersten Angehörigentreffens, dessen Konzept von Ulrike Sonnenberg-Schwan, Gerd und mir in München im Dezember 1988 in der Wohnung von Julia Tröger und dem nun schon lange verstorbenen Aidsaktivisten und Filmemacher Konrad Lutz („Coming out“) erarbeitet wurde. Zur Tür herein kam ein adrett gekleideter Mann mit Krawatte, den ich mir zuerst nicht so recht im damals noch deutlich mehr eher alternativ aufgestellten „Freien Tagungshaus Waldschlösschen“ und seinen Gästen vorstellen konnte. Aber die Irritation wich dann in kurzer Zeit einer gegenseitigen großen Sympathie und einer wertschätzenden Zusammenarbeit.

Fast 30 Jahre war Hans-Gerd Trainer im Dozent*innenteam der Seminarangebote für Menschen mit HIV/Aids und deren Angehörige und Partner*innen sowie dem aus diesem Seminarprojekt hervorgegangenen Hinterbliebenentreffen (letztere zusammen mit Ulrike Sonnenberg-Schwan), die von der Akademie Waldschlösschen und der Deutschen Aidshilfe (DAH) von 1989 bis 2015 durchgeführt wurden. Ebenso leitete er eine Vielzahl an Workshops bei den Bundesweiten Positiventreffen im Schlösschen, bei den Positiven Begegnungen der DAH und in lokalen Aidshilfen und Selbsthilfegruppen. Zu seinen Themenschwerpunkten gehörten u.a. HIV und Sexualität in der Partnerschaft, Umgang mit den Erkrankungen infolge der HIV-Infektion, HIV und Coming-Out am Arbeitsplatz, Veränderungen der Lebensperspektiven, Umgang mit Zukunftsängsten und Umgang mit Depressionen.

Die Bedeutung dieser Treffen für HIV-Positive, an Aids Erkrankte und deren Partner:innen und die Hinterbliebenen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden – gerade in einer Zeit, in der noch keine wirksame HIV-Behandlung zur Verfügung stand und sowohl die gesellschaftliche Stigmatisierung und Diskriminierung als auch die Vereinsamung von Menschen mit HIV und Aids noch unvergleichbar größer war als heute. Für viele Menschen waren diese Treffen ein unglaublich wichtiger Teil ihres Lebens und ein Stück „Zuhause“. Sicher einige tausend Teilnehmer:innen aus ganz Deutschland haben im Waldschlösschen über die vielen Jahre durch Gerds große Zugewandtheit, Präsenz und Kompetenz in Workshops und in Einzelberatungen den Weg heraus gefunden aus den mit der HIV-Infektion und Aids-Erkrankung verbundenen oft schweren Lebenskrisen, sowohl in der Partnerschaft als auch nach dem Tode des geliebten Menschen.

Für Gerd war es aber auch wichtig, die Selbsthilfe von Partner*innen und Angehörigen von Menschen mit HIV/Aids zu stärken und dies auch immer wieder im Rahmen der Treffen zum Thema zu machen. Ein besonderes Merkmal seiner Persönlichkeit und hilfreich war dabei auch Gerds wunderbarer Humor, der den Ernst der oft schweren Themen der Workshops nicht schmälerte, aber dennoch der Auseinandersetzung und der der Alltagsbewältigung eine gewisse Leichtigkeit verlieh.

Intensive Gespräche begleiteten unsere Zusammenarbeit und Freundschaft. Gerd hatte seinen eigenen Kopf. Es gab gelegentlich Situationen, in denen wir uns im Team zusammenraufen mussten, denn wenn es eine Schwäche bei Gerd gab, dann war es gelegentlich die, auch selbst Schwäche zu zeigen.

Sein unnachahmliches herzliches Lachen, seine direkte und immer respektvolle Art in der Kommunikation, sein unbedingtes Einfühlen in die oft prekäre Situation seines Gegenübers bleiben ebenso in Erinnerung wie die vielen letzten Abende bei den Seminaren im Waldschlösschen: Für die Auftritte des Teams und der Teilnehmenden warf auch Gerd sich gerne mal in besonders kreative Verkleidungen.

Gerd war ein wichtiger Wegbegleiter in meiner Arbeit im Waldschlösschen, v.a. im Diskurs über das Leben mit HIV/Aids und über schwule Lebenswelten und er war nicht zuletzt ein guter Freund. Ich werde ihn vermissen!