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Der Trauer einen Raum geben: 30 Jahre „Namen und Steine“

Der Trauer einen Raum geben

30 Jahre „Namen und Steine“

Heute vor 30 Jahren, am 18. November 1994, wurde am Hang gegenüber dem Waldschlösschen der „Denkraum: Namen und Steine – Nature Forte“ eröffnet. Der Künstler Tom Fecht hatte bereits ab 1992 – gemeinsam mit der Deutschen AIDS-Stiftung „Positiv leben“ – erste „Denkraum“-Projekte umgesetzt. Heute gibt es sie an 26 Orten – und sie alle eint dasselbe Prinzip: Die Namen von an Aids gestorbenen Menschen werden in Pflastersteine geschliffen und diese dann am jeweiligen Ort verlegt – am Waldschlösschen aus dem Hang wachsend als freistehende Mauer hin zur alten Eiche.

In einem Beitrag für magazin.hiv schreibt Axel Schock: „Anfang der 1990er-Jahre, als Tom Fecht sein Projekt entwickelte, waren die Menschen in besonders stark von Aids betroffenen Communities von der Dynamik der Krankheit zunehmend überfordert. Immer mehr starben, für eine angemessene Trauer blieb oft kaum mehr Zeit, oder es gab keinen Ort dafür, weil beispielsweise der geliebte Freund von der Familie in einer anderen Stadt beigesetzt wurde. Fechts ‘Namen und Steine’ war nur einer der künstlerischen Versuche in den 1990er-Jahren, öffentliche Orte der Erinnerung und des Gedenkens zu entwickeln, die stets auch den Charakter von Mahnmalen und Gedenkstätten einnahmen.“

Die Idee zur Umsetzung am Waldschlösschen entstand in einem Gespräch zwischen der Deutschen AIDS-Stiftung „Positiv leben“ (die später mit der Nationalen AIDS-Stiftung zur Deutschen AIDS-Stiftung fusionierte) und Wolfgang Vorhagen, der seit 1986 in der Organisation und später Leitung der Positiventreffen involviert war. Bei den Treffen wurden dann jedes Jahr weitere Steine hinzugefügt, um an verstorbene Teilnehmer:innen zu erinnern. Noch heute besuchen viele Waldschlösschen-Gäste den Denkraum, um ihren Freund:innen und Weggefährt:innen zu gedenken.

Zu den ersten 27 Namen zählte der von Waldschlösschen-Mitgründer Joachim Prüß, genannt Joagnes, und von Melitta Sundström, die sich nicht nur in Berlin einen Namen als Soul-Tunte machte, sondern auch im Schlösschen regelmäßig gastierte – etwa beim 25. und beim 36. Positiventreffen in den Jahren 1990 und 1992. Melitta, bürgerlich Thomas Gerards, starb am 8. September 1993. Nach ihr wurde auch ein Café in Berlin-Kreuzberg benannt.

In seiner Rede zur Fertigstellung des Denkraums sagte Wolfgang Vorhagen: „Aids ist vor allem für uns schwule Männer eine kollektive Katastrophe. Das Waldschlösschen ist ein Ort, wo sich diese Katastrophe manifestiert. Die Steine stehen für Verlust, Trauer und Verzweiflung, aber auch für Solidarität, Engagement und Kraft. Für uns sind sie auch, in dem sie hier und anderswo öffentlich ausliegen, ein Zeichen trotziger Hoffnung.“

Wolfgang Vorhagen bei der Eröffnung des „Denkraums: Namen und Steine“ am 18.11.1994